Oxfam Trailwalker 2011
Ein Bericht von Hotelchef Stephan Zirbus
Freitag, 02.September 2011
Die letzten Vorbereitungen für den Oxfam Trailwalker 2011 laufen. Grob zusammengefasst steht heute auf dem Plan: Drogen organisieren, Kochen und Packen. Also zuerst ab in die Apotheke. Ich hätte gern: „1 Rolle Leukoplast, 1 Packung Biolektra direkt, 1 Tube Voltaren, 1 kleine Packung Aspirin und Allgäuer Latschenkiefernöl in der Schmerzversion.“ „Ähm … ja, ich weiß zwar nicht, was Sie vorhaben, aber die Sachen sollten wir da haben.“ Wenig später lege ich knapp 30,00€ auf die Theke. Anschließend fahre ich „auf die Arbeit“, um mit der Zubereitung der Verpflegung zu beginnen. Mein Team hatte sich aufgrund der Schulenberg’schen Erbsensuppe vom Vorjahr dafür entschieden, sich dieses Jahr überwiegend selbst zu versorgen. Meiner Schwägerin drückte ich ein Gulasch auf (stand bereits in der Hotelküche) und ich versuchte mich an einer Bolognese. Dazu kamen über 1kg Nudeln, welche samt Fleischsoße und Gulasch in Vakumierbeuteln eingeschweißt wurden. Also war das Kochen auch abgehakt. Zwischendurch begrüßte ich an der Rezeption drei Teams, die auch am Oxfam Trailwalker teilnahmen. Unschwer an meinem grünen T-Shirt zu erkennen, nahmen sie mich sofort als zukünftigen Leidensgenossen war, der auch die 100km in 30 Stunden laufen will. Als dann noch rauskam, dass ich mich 2010 schon an dem Lauf versucht hatte, schossen die ersten Fragen auf mich zu und ich verzierte dann meine Antworten mit ein paar zusätzlichen Tipps.
Um 18:30 Uhr traf sich mein Team zur Registrierung. Das Ganze brachten wir ziemlich schnell hinter uns. Zum Vorjahr hatte sich nichts verändert, so dass wir einfach nur unseren Umschlag entgegennahmen. Auf die Nudelparty verzichten wir. Wir wollten hier den Teilnehmern von außerhalb einfach den Vorrang lassen.
Gegen Ende des Tages stand noch das Packen an. Eigentlich warf ich nur Unmengen an Wandersocken und andere Klamotten in eine Kiste, testete den Gaskocher, füllte meinen Camelbak mit den berechneten 1,88l Isotar für die ersten 25km und stellte ihn in den Kühlschrank. Danach das zeitnehmende Plasteteil mit einem Kabelbinder am Schuh befestigt und die Startnummer an den Rucksack genadelt. Abschließend verspeiste ich nun noch ein paar Nudeln inkl. einer fetten Banane.
Ob ich nachts nun gut schlafen konnte ? Nö.
Samstag, 03. September 2011
Nach gefühlten 4 Stunden Schlaf reißt mich der Wecker hoch. Etwas Körperpflege im Bad, teilweises Abkleben der Füße mit Leukoplast, Trinkblase in den Rucksack sind meine ersten Tätigkeiten. Irgendwie gerate ich etwas in Eile. Die Aufregung steigt.
Pünktlich holen wir den GPS-Tracker in der Stadthalle ab und bewegen uns in Richtung Startpunkt, der dieses Jahr am Fuße der Marktkirche liegt. Gleich zu Beginn stehen wir nahe der Startlinie, um bei eventuellen Engpässen später nicht warten zu müssen. Das hat leider den Nachteil, dass wir, und vermutlich 50 andere Läufer, überhaupt nicht mitbekommen, was auf der Bühne hinter uns passiert. Irgendwann zählen Publikum und Läufer von 10 runter und grüne Luftballons steigen auf. Aber keiner startet. Hm?!? Das war wohl so nicht gedacht. Also ging’s um 7:30,31 Uhr mit einer minimalen Verspätung los.
Die ersten Kilometer waren recht einfach. Jeder versuchte sein eigenes Tempo zu finden, man unterhielt sich immer wieder mit anderen Teams und nach genau 1.000m hatten alle 1% der Strecke geschafft. Der Checkpoint 1 an der Hanskühnenburg war dieses Jahr an einer anderer Stelle aufgebaut. Wir hatten viel mehr Platz. Schon mal eine wirkliche Verbesserung. Unser Plan sah es allerdings vor, den 811m hohen Aussichtspunkt recht schnell wieder zu verlassen.
Die ersten Kilometer waren recht einfach. Jeder versuchte sein eigenes Tempo zu finden, man unterhielt sich immer wieder mit anderen Teams und nach genau 1.000m hatten alle 1% der Strecke geschafft. Der Checkpoint 1 an der Hanskühnenburg war dieses Jahr an einer anderer Stelle aufgebaut. Wir hatten viel mehr Platz. Schon mal eine wirkliche Verbesserung. Unser Plan sah es allerdings vor, den 811m hohen Aussichtspunkt recht schnell wieder zu verlassen.
In Stieglitz Eck(e) war es diesmal recht voll. Viele PKWs und Zuschauer drängten sich an der Strecke. Unseren Supportern gönnten wir morgens noch etwas Schlaf, so dass wir sie hier das erste Mal trafen. Unser Tempo bis zum CP2 Altenau war etwas zu hoch. Ursprünglich plante ich, das Team etwas einzubremsen, doch wenn’s läuft dann läuft’s. Auch den CP2 ließen wir links liegen, kämpften uns am Dammgraben entlang bis zur Kreisstraße von Altenau nach Torfhaus. Hier nahmen wir mit etwas Campingflair zur gewohnten Mittagszeit meine Nudeln-Bolognese ein. Eine gute Entscheidung. Als Dessert gab es ein Tütchen Magnesium, eine prophylaktische Aspirin und ein Duplo. Gestärkt und nun mit neuen Socken setzten wir die Reise fort.
Zu unserer Überraschung waren wir an CP3 immer noch unter den ersten 25. Auf der Wiese Lichtenborn brannte die Sonne, welche uns in den Schatten vor die Dixi-Klos trieb. Ich machte meine ersten Dehnübungen und verspeiste Apfel- und Bananenstücke. Auf dem Weg zur Okertalsperre fing mein linkes Knie an zu schmerzen. So ein Mist. Wir hatten gerade mal knappe 40km hinter uns. Der einzige Trost war, dass ich bergauf recht schmerzfrei war. Ein Teil der Strecke war neu. Ich hatte ihn bereits beim ersten Oxfam Training kennengelernt und meine Brüder vorgewarnt. Zuerst ein heftiger Anstieg, gefolgt von einem Rückeweg als Abstieg in Richtung Staumauer. Dieser Abschnitt erwies sich als wahrhafter Trail.
An der Staumauer waren wir bereits 10 Stunden unterwegs und hatten knappe 50 Kilometer hinter uns gebracht. Über eine Stunde schneller als geplant. Auch in Schulenberg (CP4) ließen wir die Gruppenverpflegung links liegen und setzten auf unsere Selbstverpflegung. Der nächste Strumpfwechsel war auch wieder angesagt, was bei meinem Bruder Benni in einer Horrorshow endete. 4 Tage vor dem Lauf hatte er sich vermutlich durch eine Allergie einen Hautausschlag eingefangen. Dieser hatte auf den ersten 50km den halben Fuß förmlich aufgelöst. Kein schöner Anblick. Aber er wollte die Tour fortsetzen. Ich schmierte mein Knie mit Voltaren ein, nahm die nächste Dosis Magnesium sowie Aspirin, rieb die Beinmuskulatur mit Latschenkiefernöl ein und schluckte last but not least irgendwelche homöopathischen Kügelchen. Gedopt ging’s weiter.
Bei CP5 bauten unsere Supporter wieder die Campingmöbel auf und servierten uns das Gulasch mit Nudeln. Schön schön. Den Strumpfwechsel ließ ich aus, denn ich hatte mir einerseits 2-3 Blasen eingefangen und andererseits schon im ersten Teil der Strecke irgendwo den Zeh angehauen. Irgendwie traute ich mich nicht mehr, die Schuhe auszuziehen. Die Knieschmerzen hielten sich in Grenzen.
Die Dunkelheit setzte ein und der neue Abschnitt von Kreuzeck in Richtung Wildemann erwies sich als schwierig: nass, matschig, schmal. Man musste schon genau hinschauen, wo man hintrat.
Die Begrüßung in Wildemann (CP6) war wie im Vorjahr sehr herzlich. Das Speisenangebot schlugen wir auch diesmal aus (das hat in diesem Fall nichts mit der Qualität zu tun !!!). Alles notwendige bekamen wir von unseren Supportern. An dieser Stelle war aber der Oxfam Trailwalker für unser fittestes Mitglied Benni beendet. Es ist mir jetzt noch schleierhaft, wie er mit diesem Fuß weiterlaufen konnte. Es ging nun zu dritt weiter.
Den Berg von Wildemann hoch zur Spinne bei Bad Grund werteten wir als letzten großen Anstieg auf den 100km. Diesen brachte mein dezimiertes Team mit Hilfe der Trommler aus Wildemann (man konnte sie noch 1 Stunde nach Verlassen des CPs hören) mit der Ankunft am Tartanplatz hinter sich. An dieser Stelle stieg ich letztes Jahr aus. Doch dieses Jahr fühlte ich mich um einiges besser. Ungeplanterweise gönnten wir uns hier eine 30-minütige Ruhepause. Dazu kam die Wiederherstellung des Drogenpegels: Dosis Magnesium, homöopathische Kügelchen, irgendwelche Enzym-Pillen, Latschenkiefernöl und eine 5mm dicke Voltarenschicht auf’s Knie. Auf zum Prinzenteich.
Sonntag, 04.September 2011
Wunder geschehen immer wieder: die Schmerzen im Knie verschwanden. Den CP7 erreichten wir ohne besondere Vorkommnisse. Mittlerweile hatten wir unser Tempo gedrosselt und waren nun auf einer Gesamtzeit von ca. 24 Stunden. Zwischen Prinzenteich und Campingplatz Prahljust ging es bei mir rapide bergab. Bei CP8 stieg ich sofort ins Support-Auto ein und streckte meine kaputten Füße von mir. Am Tartan-Platz konnte ich noch etwas regenerieren, doch hier half die Pause rein gar nichts. Ich brauchte gefühlte 2km um wieder in Gang zu kommen und die Walking-Stöcke dienten ab diesem Zeitpunkt eher als Krücken. Mit 4km/h schleppten wir uns zum CP9 und ließen ein paar Teams an uns vorbeiziehen. Noch 7km. Bergab. Die vielen kleinen Steinchen, die man z.B. beim Aufstieg zur Hanskühnenburg gar nicht bemerkte, erzeugten nun stechende Schmerzen in den Füßen. Die Dämmerung setzte ein und kurz danach auch noch leichter Nieselregen. Auch das noch. Zum Glück wurde er nicht stärker und hatte letztendlich eher eine erfrischende Wirkung. Unser letzter Stop vor dem Ziel war die Bleichstelle. Hier wechselte wir auf die Team-Trikots, um im Corporate Team-Design im 1.200m entfernten Ziel einzulaufen.
24 Stunden 42 Minuten und 41 Sekunden nach dem Startschuss und nach 100km überschritten wir die Ziellinie an der Osteroder Stadthalle. Unglaublich. Ein tolles Erlebnis. Stolz machte sich breit. Zwischendurch hatte man an sich gezweifelt und es nun doch geschafft. Super. Mit Hilfe der Walking-Stöcke schaffte ich es auch noch auf die kleine Bühne zur Medaillien-Verleihung. Danach aber nur noch Tracker und zeitnehmendes Plasteteil abgeben, Urkunde in Empfang nehmen und ab nach Hause. Für eine Winner-Party fehlte mir einfach die Kraft. Zu Hause dann vorsichtig die Schuhe und Strümpfe ausgezogen, kurz gewaschen und ab ins Bett. Gefühlte 60 Sekunden später war ich weg.
6 Stunden später
So, wieder wach. Die Muskelschmerzen halten sich in Grenzen, doch die Füße sind völlig am Ende. Mein rechter Fuß ist von Schuhgröße 43 auf 45 angeschwollen. Der große Zeh schmerzt schon bei der kleinsten Berührung. Beide kleinen Zehen sind durch Blasen auf das Doppelte angewachsen. Zum Glück ist die Unterseite noch ganz gut in Takt. Gegen 17:00 Uhr sitzt das gesamte Team samt Supporter, Kinder und Omma beim Grillen. „Und, laufen wir nächstes Jahr noch Mal, damit wir zu viert ankommen ?“
Mittwoch, 07.September 2011
Die Füße sind wieder auf Normalgröße geschrumpft. Es ist jetzt lediglich eine Blase unter dem Nagel des großes Zehes, der etwas schmerzt. Der Mitleidsbonus ist auch mittlerweile gesunken, so dass ich kaum noch etwas an’s Sofa gebracht bekomme. Es wird Zeit, wieder wandern zu gehen.
Epilog
An erster Stelle möchte ich natürlich meinem Team danken:
Jochen, Christian und Benni dafür, dass sie diesen Mist ein 2. Mal mitgemacht haben, damit ich die Chance auf komplette 100km bekomme.
Ramona, Claudia und Natalie für den perfekten Support
Sandra, die in Gedanken immer dabei war und viele Kilometer mit mir trainiert hat
An zweiter Stelle vielen Dank an die Sponsoren, ohne die die Teilnahme nicht möglich gewesen wäre
und last but not least an Oxfam Deutschland, die dieses Event wieder in Osterode am Harz organisiert haben.